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Auf Abruf zum Arbeitsplatz

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Frank Emmel, Advokat

Flexibilisierung von Arbeit geschieht regelmässig über die Ausgestaltung der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag. Am bekanntesten und häufigsten ist dabei die Vereinbarung von Teilzeitarbeit, die in unterschiedlichen Arten vorkommt. Weit verbreitet ist die Arbeit auf Abruf. Sie geniesst einen zwiespältigen Ruf. Bei den Arbeitgebern ist sie beliebt, weil sie damit rasch und flexibel auf Bedarfsschwankungen reagieren können. Negativ ist ihr zuzuschreiben, dass dadurch das Betriebsrisi ko auf die Arbeitnehmer verlagert werden kann. Gewerkschaften kritisieren ihre Anwendung auch deshalb, da die Arbeitnehmer oft nicht voraussehen können, wann, wie häufig und wie viele Stunden sie eingesetzt werden und mit welchem Einkommen sie daher rechnen können, um ihre Lebenskosten zu finanzieren. Andererseits bietet die Arbeit auf Abruf nicht wenigen Arbeitssuchenden einen Einstieg beziehungsweise Wiedereinstieg in die Arbeitswelt.

Sich bereithalten

Die Arbeit auf Abruf kennt verschiedene, miteinander verwandte Ausformungen. Allen diesen Arbeitsformen ist gemeinsam, dass die Angestellten, die im Unterschied zu blosser Gelegenheitsarbeit in einem auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis stehen, nicht nur Arbeit leisten, sondern sich zeitweise dazu bloss bereithalten müssen. Flexibel bleibt dabei, ob, wann und wie viele Zeiteinheiten sie vom Arbeitgeber effektiv eingesetzt werden. Die Arbeit auf Abruf hat sich vor allem in Wirtschaftsbereichen mit deutlichen Nachfrageschwankungen, wie beispielsweise dem Detailhandel und dem Gastgewerbe, verbreitet.

In den Arbeitsverträgen bezüglich Arbeit auf Abruf ist meistens vorgesehen, dass der Arbeitgeber allein oder aber gemeinsam mit den Arbeitnehmern deren Einsätze festlegt. Man spricht dabei von echter und unechter Arbeit auf Abruf. Davon, wer die Einsätze festlegt, hängt ab, ob die Angestellten einem Abruf zur Arbeit durch den Arbeitgeber Folge zu leisten haben oder nicht. Falls die Arbeitnehmer ein Aufgebot zum Einsatz ablehnen dürfen, so ist ihnen nur die effektive Arbeitszeit zu vergüten – es sei denn, die Parteien hätten etwas Abweichendes vereinbart. Falls die Arbeitnehmer hingegen der Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers nachzukommen haben, so ist weiter danach zu unterscheiden, wo sie sich während der Bereitschaftszeit aufzuhalten haben.

Warte- und Bereitschaftszeit

Falls die Angestellten sich im Betrieb zur Arbeitsleistung zur Verfügung halten müssen, so ist deren Wartezeit mit der eigentlichen Arbeitszeit gleichzusetzen, für die sie deshalb und vorbehältlich abweichender Vertragsabrede Anspruch auf den gleichen Lohn haben, wie wenn sie effektiv arbeiten würden. Sofern die Arbeitnehmer die Bereitschaftszeit hingegen ausserhalb des Betriebes zubringen, ist auch diese Rufbereitschaft durch Lohnzahlung abzugelten. Falls sich die Höhe des hierfür geschuldeten Lohnes weder aus dem Arbeitsvertrag noch einer Übung, wie sie insbesondere in der gleichen Branche gilt, ergibt, ist sie vom Richter nach Billigkeit festzulegen.

Allerdings ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber am Bereitschaftsdienst regelmässig ein geringeres betriebswirtschaftliches Interesse als an der eigentlichen Arbeitsleistung hat. Zudem können die Arbeitnehmer die Wartezeit grundsätzlich für arbeitsfremde Verrichtungen nutzen. Daraus wird geschlossen, dass die Bereitschaftszeit nicht gleich hoch wie die effektive Arbeit entschädigt werden muss. Zudem kann ihre Entlöhnung als im Lohn für die eigentliche Arbeitszeit eingerechnet und entsprechend im Arbeitsvertrag geregelt werden.

Reaktionszeit

Zu berücksichtigen ist andererseits, wie rasch die Angestellten, wenn sie abgerufen werden, darauf zu reagieren und am Arbeitsplatz zu erscheinen haben. Je kürzer diese Reaktionszeit ausfällt, desto stärker sind sie in der Freiheit, über ihre Freizeit disponieren zu können, eingeschränkt und desto eher gleicht die ausserhalb des Betriebes verbrachte Bereitschaftszeit einer solchen, die am Arbeitsplatz stattfindet. Ausserdem gilt aufgrund von Artikel 324 des Obligationenrechts die Regel, dass der Arbeitgeber sein Betriebsrisiko nicht auf die Arbeitnehmer abwälzen darf.

Kündigung

Dies und die Gefahr, dass die Kündigungsfristen sonst ihren eigentlichen Sinn verlieren würden, bestimmen ferner die häufig sich stellende Frage nach der Zuweisung von Arbeit an den Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Angestellte hat bei der echten Arbeit auf Abruf, falls ihm nicht in ausreichendem Mass Arbeit zugewiesen wird, jedenfalls Anspruch auf den Durchschnittslohn, den er vorher während angemessener Zeit verdient hat. Anderenfalls käme die ordentliche Kündigung in ihrer Wirkung für den   hätte, womit der Sinn der Kündigungsfrist ausgehebelt wäre.


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